Werteorientierte Lokalpolitik

Das folgende ist der Grund, warum es niemals einen Leserbrief von mir geben wird. Jedenfalls niemals einen veroeffentlichten.

(An eine Leonberger Lokalzeitung, vor einigen Jahren)
(Absender: ich)
Sehr geehrte Damen und Herren,

und hier eine Version 3 meines Leserbriefes. Es ist nicht schlimm, falls
Sie diese nicht mehr beruecksichtigen koennen, und ich verspreche, nie mehr
eine weitere Version zu senden.

Es ist egal, ob der Individualtransport 10 mal oder 100 mal
weniger oekonomisch (oekologsch) ist.

Dennoch wuerde ich einen gravierenden Denkfehler aus der Aufwandsschaetzung
fuer die Muellentsorgung herausnehmen wollen, falls Ihnen eine solche
Aenderung noch moeglich ist. Falls die Aenderung nicht mehr moeglich ist,
ist das nicht schlimm.

Mit freundlichen Gruessen,
(ich)

Ich hatte mich zwei mal vertan mit irgendwelchen Annahmen. Ueber Gewicht, Fuellungsgrad von Muelllastwagen hatte ich Stichhaltiges im Internet gefunden (inklusive einer Dissertation, also hallo). Aber mein zweimaliger Rueckruf des Leserbriefs war mir unglaublich peinlich und eine Lehre fuers Leben. Inzwischen glaube ich aber, die Berechnungen waren, obwohl in Ordnung, sowieso wurscht: wahrscheinlich war mein eigentlich als triefend geplanter Sarkasmus unverstaendlich oder peinlich.

Trotzdem schade um den Brief: denn der Kreis Boeblingen leistet sich einen vielfach hoeheren Energieaufwand zur Muelleinsammlung als notwendig. Und sozial ist die Methode auch nicht, alle ihren Muell mit eigenem Fahrzeug zum Wertstoffhof fahren zu lassen. Mein empoerter Leserbrief deswegen jetzt mal hier. Und dazu gibt es Bilder einiger der Muellfraktionen, die – bitte! – genau zu trennen und einzuliefern sind. Meine Frage an den Landkreis Boeblingen ist einfach: Wie sieht Eure Bilanz zur Muelltrennung genau aus, und wie geht der Transport des Muells zum Wertstoffhof in diese Rechnung ein?

Schuld sind wieder mal falsche Anreize: 100 von Einwohnern fuer Muelltransport verfeuerte Liter Sprit sollten der Stadt mehr ausmachen als ersatzweise dafuer verfeuerte 1-10 Liter Sprit in einem zentralen Muellwagen. Allein wegen der lokalen Hoechstwerte bei den Feinstaeuben… Aber natuerlich ist die ganzheitliche Abrechnung der Muelleinholung viel komplizierter. Egal:

Leserbrief, letzte Fassung, auf einen Artikel mit Umfrage zum Wertstoffhof ende 2008

Es gibt einen grossen Anteil der Buerger, in Ihrer Umfrage 56%, die die Stadt gerne bei der Muellentsorgung entlasten. Und wenn der Transport zum Wertstoffhof fuer sie das Zehnfache dessen ausmacht, was der Transport durch die Stadt ausmachte! Das sind die produktiven, konsumfreudigen Buerger, die sich den Gegebenheiten einpassen.

Im Gegensatz dazu eine gar nicht kleine Minderheit (41% in ihrer Umfrage), die nicht gerne ihren Beitrag so zur Entlastung von Landkreis und Stadt leistet. Dazu gehoeren die gebrechlichen Alten, die ihre Wertstoffe nicht jede Woche in kleinen Portionen mit dem Rollator den Berg herunterfahren. Sie sind nicht mehr produktiv, erzeugen aber immer noch Muell. Da sind die Konsumfernen, die der hiesigen Wirtschaft kein Automobil abkaufen koennen, aber ihre Wertstoffe trotzdem nicht auf dem Ruecken durch die Stadt tragen wollen. Und dann gibt es noch die Uneingepassten, etwa junge Muetter, die ohne Partner dennoch Saeuglinge pflegen. So eine kann sich womoeglich kein Auto leisten, keinen unterstuetzenden Freundeskreis erhalten, hat die Muelltonne voller Windeln und kann sich zu ihrem schreienden Kind dann keine Stunde lang ihre Muellsaecke aufs Fahrrad schnallen. Solche Leute befinden sich im Gegensatz zu unserem gegebenen Muellkonzept.

Zu der Groessenordnung an Aufwand, die die braven Buerger auf den Transport obendrauf werfen: Bei Abholung von Wertstoffen mit einem Lastwagen macht seine Nutzlast vielleicht ein Drittel seines Gewichts aus, pro Kilogramm Abfuehr werden drei Kilogramm bewegt. Der brave Buerger, der seine 50 Kilogramm Wertstoffe im Kofferaum zum Wertstoffhof faehrt, dessen Auto vielleicht 1,2 Tonnen wiegt, hat dann fuer jedes Kilo Wertstoffabfuhr 25 Kilogramm bewegt. Ganz zu schweigen von dem Aerger, den Blechbeulen und dem vielfachen Zeitaufwand, den dieser vielfache Transportaufwand pro Kilogramm mit sich bringt. Aber wir 56% rechnen so nicht! Und wir haben es auch nicht noetig und wir wollen so nicht rechnen, denn wir sind produktiv, konsumfreudig, und gut eingepasst.

Einige Muellfraktionen

One Response to “Werteorientierte Lokalpolitik”

  1. Bruno der Fragwuerdige sagt:

    Ist es denkbar, daß eine Kommune trotz dieser simplen und nachvollziehbaren Logik es für ökologischer hält, wenn jeder jeden Krempel selbst mit dem Auto zum Wertstoffhof karrt?

    Nein. Wahrscheinlicher ist, daß sie es (für sich, natürlich) für billiger hält.

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